Ki-Do Camp Heimweh-Leitfaden

 

Stand: 23.6.2024

 

Wenn Kinder längere Zeit weg von der Familie und dem gewohnten Lebensumfeld sind, verspüren manche gelegentlich Heimweh. Auf Feriencamps wie dem unseren ist das auch nichts ungewöhnliches. Seit den Lockdowns erleben wir jedoch deutlich mehr und intensiveres Heimweh als in den Jahren zuvor. Ein möglicher Grund dafür wäre, dass die Kinder durch die soziale Distanzierung ihr seelisches Immunsystem nicht so gut aufbauen konnten, weil ihnen die entsprechenden Situationen zur kleinschrittigen Umgewöhnung gefehlt haben. Nun sind viele Kinder schnell emotional überfordert, wenn sie längere Zeit nicht mehr zu Hause sind bzw. sein werden.

Dieser Leitfaden soll erklären, wie wir mit Heimweh umgehen und Anhaltspunkte geben, für einen möglichen Umgang mit Heimweh. Unser Ziel damit ist, durch eine gute Kooperation mit den Eltern (bzw. Bezugspersonen), den Kindern zu helfen, ihre Gefühlskompetenz zu verbessern und innerlich zu stärken, und sie damit bei wichtigen Entwicklungsschritten zu begleiten.

 

Dimensionen von Heimweh

Heimweh hat zwei primäre Dimensionen: Erstens das Vermissen von Eltern, Geschwistern, Haustieren, Familie, Freunden und dem gewohnten Lebensumfeld, und zweitens ein subjektiv gefühlter Mangel an Sicherheit, Vertrauen, Geborgenheit etc. Meistens ist Heimweh eine Kombination aus beiden, wobei oft eine Dimension stärker wirkt als die andere.

Das Camp bringt für Kinder ungewohnte Umstände – für manche mehr, für andere weniger. Zu viel neues und unbekanntes wirkt normalerweise überfordernd und löst damit die Unsicherheit aus. Verstärkt wird dies oft durch Dunkelheit und Müdigkeit am Abend, tagsüber übermüdet sein, physiologischer Stress, die Kombination mit anderen Problemen (z.B. Sachen werden nicht gefunden) etc.

 

Wie kann ich mein Kind stärken, um eventuelles späteres Heimweh zu vermeiden?

Hier sind einige Vorschläge, die helfen könnten:

  • Druck hilft unserer Erfahrung nach nie.

  • Beginnen Sie früh und gewöhnen Sie Ihr Kind langsam über einen längeren Zeitraum daran, einige Zeit von Ihnen weg zu sein.

  • Versichern Sie Ihrem Kind, dass Sie es lieben, auch wenn Sie sich nicht sehen.

  • Lassen Sie Ihr Kind gute Freunde oder Verwandte besuchen, in der einen oder anderen Woche auch mehrmals.

  • Lassen Sie Ihr Kind bei guten Freunden der Familie oder Verwandten übernachten, mitunter mehrere Nächte ohne sich zu sehen/zu telefonieren etc.

  • Starten Sie mit kleinen Schritten (z.B. Halbtag > ganzer Tag > Abend & Nacht > Halbtag & Nacht etc.), und lassen Sie Ihr Kind die Schritte durch eigene Entscheidung langsam vergrößern, ohne Druck zu machen.

  • Wenn der Schritt zu groß und überfordernd war und Sie währenddessen abbrechen, kann dies einen negativen Lerneffekt haben, insbesondere bei mehrfacher Wiederholung.

  • Sehen Sie es als Übung, als Möglichkeit, Ihr Kind bei seiner Entwicklung zu unterstützen.

Wie oben erwähnt, ist ein Faktor zur Heimweh-Prävention die Gewöhnung an neue Umstände. Möglichkeiten in der organisatorischen Vorbereitung wären daher:

  • Lassen Sie Ihr Kind im Schlafsack schlafen (besonders in den letzten Tagen vor dem Camp), im Bett aber auch am Boden mit Isomatte.
  • Schicken Sie Ihr Kind nicht mit frisch gewaschener Bettwäsche zum Camp. Das erscheint auf den ersten Blick zwar sehr ungewöhnlich, hat aber einen Vorteil: Polster und Schlafsack haben einen Geruch von Vertrautheit. Der Geruchssinn spielt eine wichtige Rolle bei der frühkindlichen Bindung und funktioniert auch im Dunkeln und bei Müdigkeit.
  • Führen Sie neues Essen ein. Es ist unmöglich, dass es beim Camp nur die Lieblingsspeisen aller Kinder gibt, oder nur welche, die alle Kinder gewohnt sind.
  • Üben Sie mit Ihrem Kind, Ordnung zu halten. Sich um die eigenen Sachen kümmern zu können ist nicht nur eine Schlüsselkompetenz im Leben, sondern hilft auch indirekt gegen Heimweh. Wenn Ihr Kind weiß, welche Sachen es mit hat, wie sie aussehen, wo sie sich im Koffer verstecken könnten, und wie sie richtig versorgt werden, wird potenzieller Stress durch Unordnung und verlorene Sachen vermindert.

 

Wie wird Heimweh von den Betreuern gehandhabt?

Wir haben inzwischen jahrzehntelange Erfahrung mit Heimweh auf unseren Camps. Wir bemühen uns stets einfühlsam und klar mit den Kindern zu sprechen und ihnen ein wohlwollendes soziales Gefüge zu geben.

Auf der Dimension des Vermissens kann dem Kind ein Telefonat helfen, und das Bewusstmachen, dass es seine Eltern bald wieder sieht. Außerdem versuchen wir die Perspektive zu erweitern und auf das positive im hier und jetzt zu lenken, und das vermissen in Vorfreude umzuwandeln. Auf der Dimension der gefühlten Sicherheit bemühen wir uns ab dem ersten Kontakt Vertrauen und Geborgenheit zu schaffen – durch gute Beziehungen zwischen Betreuern und Kindern, aber auch ihnen untereinander.

Weiters führt der gute soziale Kontakt in der Gruppe zu einer gewissen Ablenkung. Dieser positive psychische Effekt, in Kombination mit der körperlichen Aktivierung fördert die Linderung und Verhinderung von Heimweh. Bei anderen/ergänzenden Herangehensweisen arbeiten wir auch direkt mit Ihnen zusammen. Wir haben breites Repertoire an Möglichkeiten, mit denen wir in der Regel gute individuelle Lösungen finden.

 

Mein Kind hat am Camp Heimweh, was kann ich tun?

Es gibt dafür unterschiedliche Herangehensweisen. Manche Eltern möchten bewusst nicht mit ihren Kindern telefonieren und lassen ihnen ausrichten, dass sie sie lieben und stolz auf sie sind. Anderen Kindern hilft ein Telefongespräch, in dem sie von ihren Eltern bestärkt werden.

Bei Telefonaten ist auch eine gewisse Klarheit wichtig, dass diese nicht jederzeit und beliebig lang möglich sind. Einerseits soll sich das die Aufmerksamkeit nicht nur um das Heimweh drehen, andererseits ist dies organisatorisch auch nicht durchführbar.

 

Was sollte ich vermeiden, wenn mein Kind am Camp Heimweh hat?

Zwei Dinge von Seiten der Eltern helfen unserer Erfahrung nach nicht bei der Überwindung des Heimwehs: Zu betonen, wie sehr sie ihre Kinder auch vermissen und gerne sehen würden. Und mit Nachdruck zu betonen, dass sie ihr Kind jederzeit abholen würden, wenn das Heimweh zu stark wird.

Das Problem dabei ist, dass Kinder unbewusst die Botschaft der Eltern als „Wir möchten auch nicht, dass du am Camp bist“ verstehen können, auch wenn andere Worte das Gegenteil aussagen. Und weil sie einen unbewussten Impuls haben, mit ihren Eltern zu kooperieren, kann dieses Missverständnis das Heimweh verstärken.

 

Ich wohne in der Nähe – kann ich mein Kind besuchen bzw. kann mein Kind zuhause schlafen?

Eltern sind generell sehr willkommen bei uns. Wir haben allerdings gemischte Erfahrungen mit solchen Situationen gemacht. Das Fazit ist: es gibt keine eindeutige Lösung, weil es sehr stark von der sozialen Dynamik abhängt. Manchmal wurde es als normal angesehen, manchmal hat es das Heimweh anderer Kinder verstärkt, die dann auch ihre Eltern sehen oder zu Hause schlafen wollten.

Bei Eltern, die mit den Kindern am Camp Ferien machen, gab es bisher noch keine Probleme.

 

Bekomme ich Geld zurückerstattet, wenn mein Kind früher wegen Heimweh abgeholt werden muss?

Nein.